Der Abend ist spät. Ich sitze in meinem Garten und denke über die letzten Tage nach. Es waren zwei schwierige Wochen. Kaum etwas von dem, was ich geplant hatte, konnte ich umsetzen. Ich hadere. Mit mir. Mit den Umständen. Mit der Welt. Gleichzeitig spüre ich etwas, dass über das „Hier und Jetzt“ hinausgeht.
Ich schaue mich um, versuche das, was ich in meinem Inneren derzeit nicht finden kann, im Außen zu sehen. Zuerst, nehme ich die Häuser war. Ich weiß, wer in ihnen lebt. Von Menschen gebaut. Geradlinig und strukturiert. Sie bieten meinen Gedanken weder Halt noch Raum.
Die Sträucher in meinem Garten habe ich selber gepflanzt. So langsam entwickeln sie sich. Ohne mein Zutun wachsen und gedeihen sie. Die ersten Blüten sind bereits verwelkt. Die Neuen lassen noch auf sich warten.
Mein Blick wandert weiter und bleibt an den großen Kastanien hängen. Sie wurden gepflanzt, als ich fünf war. Heute sind sie groß und haben eine prächtige Krone. Ich denke an die kleinen Wälder, die es hier noch gab, als ich Kind war. Ein natürlicher Abenteuerspielplatz.
Wieder schaue ich auf die Kastanie. Dann auf den Kirschbaum in meinem Garten. Den Apfelbaum und die Zypressen in Nachbars Garten. Wie Tief ihre Wurzeln wohl gehen? Wie hoch sie gewachsen sind. Wie sie sich dem Himmel entgegenstrecken. Sein Licht aufsaugen und den Unwettern trotzen.
Tiefe Wurzeln
Nach noch so heftigen Regenfällen stehen sie stabil da. Ja mehr noch, sie zehren von der Kraft der Unwetter. Nutzen den Regen, um zu wachsen. Diese Gedanken erfreuen mich. Sie passen doch ein wenig in meine jetzige Situation. Ich muss schmunzeln, wenn ich an die Unwetter denke, die mich gestärkt haben. Gedanken über mich, meine Wurzeln und das Streben nach dem Licht stellen sich ein.
Meine Wurzeln gehen Tief. Ich bin der männlichen Tradition meiner Familie gefolgt. Genau die Arbeit anzunehmen, von der die Eltern so gar nichts hielten. Darin gut zu werden und meinen Mann zu stehen. Mein Leben nach meinen Regeln auszurichten und dafür einzustehen. Mächtige Wurzeln, wie ich finde.
Dann gibt es die Wurzeln der Freundschaft, die mich tragen. Manche sind schon sehr alt. Sie breiteten über Jahrzehnte ihr Geflecht aus. Andere sind recht jung, kein Jahr alt und dennoch sehr stark. Kräftige Wurzeln, die mich tragen und auf die ich mich verlassen kann, auch wenn mir das manchmal entfällt.
Das sind die Wurzeln des Außen. Es gibt ebenso welche, die aus mir selber entstanden sind. Mein unbeugsamer Glaube einen Weg zu finden, selbst wenn das Gestrüpp am Boden undurchdringbar erscheint. Vertrauensvoll auf andere zugehen können. Ehrlich in den Spiegel zu schauen und meinen Schatten akzeptieren zu können.
Das Streben nach dem Licht hat sich verändert. Während es bis so ungefähr zu meinem 45´sten Lebensjahr darum ging im weitesten Sinn Karriere zu machen, stehe ich heute an einem anderen Punkt. Heute geht es um Kontakt zu mir und zu anderen. Mich selber immer mehr kennen zu lernen sowie meine Tiefen und Höhen auszuloten. Darum mit mir selbst und mit anderen einen lebensfrohen Alltag zu gestalten.
Nun bin ich durch das Außen wieder bei mir gelandet. Es fühlt sich richtig und gut an. Ich werde noch ein wenig an meinem Wein nippen, der Musik im Hintergrund lauschen und meinen Gedanken nachhängen. Morgen wird ein guter Tag.
Und du?
Wo findest du im Außen halt? Welche „Kraftorte“ unterstützen dich? Welche Wurzeln verankern dich und lassen dich gleichzeitig wachsen? Welchem Licht strebst du entgegen?