Vorweg
Die Idee zu diesem Artikel kam durch mehrere Ereignisse an einem Sonntag. Zuerst hatte ich einen äußerst guten Artikel zum Thema Einsamkeit von Dr. med. Dunja Voos gelesen. Wenn du mit dem Thema zu tun hast oder jemanden kennst, der sich einsam fühlt, kann ich dir diesen Artikel sehr ans Herz legen.
Später am Tage hatte ich zwei Gespräche mit Freunden, beide stecken in schwierigen Lebenssituationen. Der eine gesundheitlich und die andere ist unzufrieden mit ihrer Arbeit. Bei beiden ging es darum, die „Jetztsituation“ erst einmal anzunehmen. Verändern würde sich, ähnlich wie beim Thema „Einsamkeit“, so schnell sicherlich nichts.
Einfach annehmen
Einfach annehmen funktioniert bei den angenehmen Situationen in unserem Leben sicherlich leichter. Erfolg, Anerkennung und Liebe sind angenehm. Das ist ja genau das, was wir alle haben wollen. Aber auch in diesem Bereich übergehen wir die Sachen schnell. Wir erlauben uns viel zu selten, die schönen Dinge und Zeiten in unserem Leben zu genießen.
Wir geraten flugs in Angst, dass sie wieder verschwinden. Sicherlich kennst du das Gefühl, verliebt zu sein. Und wie das Leben nun mal so spielt, auch das Gefühl, wenn deine Liebe nicht erwidert wird. Gleiches gilt auch für Erfolge und Anerkennung. Manchmal kam nach dem Erfolg ein Absturz oder die Anerkennung, die du verdient hättest, blieb dir versagt.
Wenn so etwas einmal passiert ist, ist das schon unangenehm. Passiert es jedoch des Öfteren, tendieren wir dazu angenehme Gefühle und schöne Situationen abzuschwächen. Wir möchten uns später nicht zu verletzt zu fühlen, wenn doch etwas „schief“ läuft.
In diesen Bereich gehören die Sprichwörter: „Vögel, die zu hoch fliegen, stürzen tief.“ oder „Schuster, bleib bei deinen Leisten“. Beide Wollen uns ermutigen auf dem „Teppich“ zu bleiben, damit wir möglichst keine unangenehmen Erfahrungen machen. Freude, einfach annehmen, könnte in diesem Zusammenhang bedeuten abzuheben.
Wenn du dich wirklich auf das Leben einlässt, wird dir klar, dass jede Situation ihre zwei Seiten hat. „Nach Regen kommt Sonnenschein.“ sagte mir meine Oma, wenn es mir nicht gut ging. Oft hat das geholfen. Die Tatsache, dass nach Sonnenschein auch Regen folgt, hat sie lieber für sich behalten.
Egal, was gerade in deinem Leben passiert, es wird sich ändern. Schöne Zeiten vergehen genauso, wie die unangenehmen. Freue dich über die schönen Zeiten. Genieße sie in vollen Zügen. Lass sie ein Teil von dir werden.
Einfach annehmen lernen
Auch wenn dir das jetzt wie ein Widerspruch vorkommt, bitte ich dich, meinem Gedankengang zu folgen.
Annehmen bedeutet erst einmal, die Situationen und Ereignisse möglichst ohne Bewertung und unbefangen anzuschauen. Die Dinge sind so, wie sie gerade sind. Gehe auf eine „sinnliche“ Ebene. Was nimmst du wahr? Was siehst du? Was hörst du? Was fühlst du? Vielleicht riechst oder schmeckst du ja auch etwas. Nimm alle Sinne bewusst wahr. Geh soweit es dir gerade möglich ist. Zum Beispiel das Gefühl. Spüre nach, wo in deinem Körper du dieses Gefühl am stärksten wahrnimmst. Ist es eher ein Gefühl, das sich ausbreitet oder konzentriert es sich genau auf eine Stelle?
Versuch möglichst wenig zu bewerten! Einfach annehmen beginnt damit, wertfrei zu sein. Sobald du (be-)wertest, legst du die Situation in eine Schublade. In der schon all die ähnlichen Erfahrungen liegen. Die Besonderheit der Situation, „Hier“ und „Jetzt“ geht dabei unter Umständen verloren.
Der weitere Vorteil des „einfach annehmen“ ist, dass du dir die Situation viel Bewusster machst und dich später an mehr erinnern kannst. Darüber hinaus wirst du deutlicher erleben, was genau die Situation schön oder angenehm für dich sein lässt. Zukünftig kannst du solche Situationen besser für dich gestalten.
Ich glaube, dass sich „einfach annehmen“ in angenehmen Situationen leichter üben und lernen lässt als in den unangenehmen, zu denen wir jetzt kommen.
Klein, dick, dumm und hässlich
In unserer Gesellschaft ist scheinbar kein Platz für unangenehme Gefühle. Alle sollen jugendlich und möglichst immer gut drauf sein. Aktivitäten und „Funn“ prägen unser Gesellschaftsbild und das nicht nur in der Werbung. Für den, dem es (im Moment) nicht so gut geht, scheint es keinen Platz zu geben. Wen wundert es da, wenn wir möglichst gerne und schnell alles Unangenehme verdrängen.
Einfach annehmen fällt uns, wie gesagt schon in „angenehmen“ Situationen oftmals schwer. Gerade in den Situationen, in denen wir uns hilflos fühlen, scheint es uns fast unmöglich. So was schafft dann nur der Dalai Lama.
Situationen in denen wir uns einsam fühlen und die Angst haben alleine zu sterben. Momente, in denen wir unsere Arbeit zutiefst ablehnen. Zeiten, in denen wir gesundheitlich angeschlagen sind. Und die sollen wir dann einfach annehmen? Wir wollen sie doch gerade loswerden! Die unangenehmen Gefühle sollen weggehen und dableiben, wo der Pfeffer wächst.
Ich stelle jetzt mal nicht die Frage, was die Leute, da wo der Pfeffer wächst, damit anfangen sollen. Dennoch: „So funktionieren wir Menschen nun mal nicht!“
Folgen der Verdrängung
Ich hatte schon mehrfach über den „Zeigarnik Effekt“ geschrieben und möchte nochmal darauf zurückkommen. Dieser Effekt besagt einfach, dass unser Gehirn dafür sorgt, dass Unerledigtes von unserem Unterbewusstsein immer wieder in unser Bewusstsein verschoben wird. Das passiert so lange, bis wir unsere Aufgaben erledigt haben.
Zu den unerledigten Aufgaben gehören auch verdrängte Situationen und Gefühle. Da es ein menschlicher Reflex ist, unangenehme Gefühle zu vermeiden, läuft der Prozess sehr schnell ab. Dies wie gesagt mit dem Nachteil, dass uns ähnliche Situationen wieder begegnen oder die Gefühle in der Nacht „heimsuchen“.
Wie im Fall der Einsamkeit schaffen wir uns dann schleunigst Ersatz-Realitäten. Ob es nun die heile Welt im Fernsehen oder eine viel schlimmer im Kino ist. Wir stützen uns in die Arbeit, auf das Essen oder ein Hobby. Alles das soll uns bloß von den unangenehmen Dingen ablenken. Was letztlich nicht wirklich gelingt. Also noch mehr tun. Dieses Vorgehen kostet uns eine Menge Energie. Diese Energie brauchen wir jedoch, um lebendig zu sein und uns auch so zu fühlen.
Also doch einfach annehmen?
Ich glaube, ja! Und, „einfach annehmen“ ist einfach, aber nicht unbedingt leicht. Zumindest am Anfang.
Manchmal hast du vielleicht Angst, es nicht auszuhalten, dich einer unangenehmen Situation zu stellen. Es stellen sich Phantasien ein, die mitunter sogar lebensbedrohlich wirken. Weitgehend sind es aber genau das, Phantasien. Die überwiegenden Situationen wirst du durchstehen. Du hast es in deinem Leben, wie auch immer, bis hier hin geschafft. Also hast du alle Möglichkeiten dich auch auf diese Situation einzulassen.
Mach dir bitte zuerst einmal klar, dass das Leben bunt ist. Es hat seine Höhen und Tiefen. Alle Gefühle gehören dazu. Die Angenehmen, wie auch die Unangenehmen. Und wie meine Oma schon sagte: „Auf Regen folgt Sonnenschein!“. Um bei diesem Bild zu bleiben, wir könnten weder ohne Regen noch ohne Sonnenschein auf dieser Erde existieren. Oder um zu meinem Lieblingsspruch zu kommen: „Wer nicht richtig weinen kann, kann auch nicht wirklich lachen.“
Gehe in unangenehmen Situationen so vor, wie ich es dir oben bei den angenehmen Situationen vorgeschlagen habe. Wann immer möglich, suche dir einen Gesprächspartner und spreche mit ihm über deine Gefühle. Sollte es dir sehr schwer fallen, offen mit anderen über deine Gefühle zu sprechen, mache dir bitte Gedanken über eine professionelle Hilfe. Bedenke auch, dass es in sehr vielen Bereichen Selbsthilfegruppen gibt.
Mir persönlich hilft es, in unangenehmen Situationen, ein wenig Detektiv mit mir zu spielen. Manchmal kann ich dann sogar über mich lächeln. „So ist das also, wenn ich mich …. fühle.“ Dadurch entwickele ich einen Beobachter, der auf die Situation schaut. Hierdurch kann ich mehr wahrnehmen und danach auch handeln, oder genau das sein lassen.
Wenn du einen Inneren Beobachter bei dir „eingerichtet“ hast, wirst du leichter in der Lage sein mit unangenehmen Situationen umzugehen. Dein Beobachter wird dir beim „einfach annehmen“ enorm hilfreich sein. Die Entscheidung, ob und wie du in der Situation handeln willst wird dir einfacher fallen. Letztendlich wird es dir auch leichter fallen die Situation abzuschließen.
Auch an dieser Stelle möchte ich dich noch einmal daran erinnern, dir selbst der beste Freund zu sein. Gehe liebevoll mit dir um. Du wirst erkennen, ob es wirklich etwas zu lernen oder zu verändern gibt. Ich vertraue deiner Lernfähigkeit und du solltest das auch tun.
Zusammengefasst
Einfach annehmen kann gelingen!
- Hab Geduld mit dir
- Spreche über deine Gefühle, auch die unangenehmen
- Ein Anfang ist vielleicht nicht leicht, aber in jedem Anfang liegt ein Zauber
- Versuche wertfrei zu bleiben
- Nimm die Situation mit allen Sinnen wahr
- Siel ein wenig Detektiv (So ticke ich also.)
- Entscheide erst dann, ob und wie du handeln möchtest
- Sei dir selbst der beste Freund der Welt
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Annehmen, was ist
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