Vielleicht denkst du: Oh Gott, momentan schreibt jeder darüber, wie schlecht Perfektion ist. Jetzt schreibt Peter, dass es gut ist. Der spinnt! Anderfalls lächeslt du möglicherweise, weil dir mit Sicherheit der ein oder andere Schreibfehler in meinem Artikel aufgefallen ist. So einer nennt sich Perfektionist. Nie und nimmer. Da könnte man vieles einfach besser machen.
Damit wir uns gleich richtig verstehen: Perfektionismus in allen Bereichen, halte ich ebenfalls für übertrieben, ja sogar für schädlich. Dennoch, oder gerade deswegen, möchte ich dir noch einen anderen Blick auf die Perfektion anbieten. Lass uns mal mit dem Wort „Perfekt“ anfangen.
Perfekt und Perfektion
„Da stand ich nun. In einem Treppenhaus vor einer gebogenen Glaswand. Gleich würde mein erstes, selbst gehaltenes, Training beginnen. Die Sonne strahlte mit mir um die Wette. Ich stand genau an dem Punkt, an dem ich sein wollte. Für mich war dieses ein perfekter Moment. Alles fügte sich irgendwie zusammen und ich war einfach nur überglücklich.“
Sicherlich gab es mehrere perfekte Momente, ja sogar Tage für mich. Dieser Moment ist mir jedoch besonders stark in Erinnerung geblieben. Ich hoffe, dass es für dich ebenfalls etliche perfekte Momente gab!
Ich bin der Meinung, dass du einiges dafür tun kannst, perfekte Momente oder sogar perfekte Tage zu erschaffen. Da ich darüber bereits einen Artikel geschrieben hatte, werde ich diesmal nicht näher darauf eingehen.
Für mich beinhalten „Perfekte Momente“ zwei Bedingungen, auf die ich näher eingehen möchte. Beide halte ich für den Bereich der Perfektion sehr wichtig. Doch zuerst eine kurze technische Definition des Wortes Perfekt.
Definition Wikipedia
Der Ausdruck Perfekt (lateinisch [tempus praeteritum] perfectum ‚völlig vergangene Zeit‘) ist ein grammatischer Terminus, der einen Aspekt oder ein Tempus eines Verbs bezeichnen kann.
Das Perfekt als Verbalaspekt gehört zur Familie der perfektiven Aspekte; typisch sind jedoch auch Ausdehnungen in Richtung eines Tempus der Vergangenheit.
Perfektion ist eine Entwicklung
Bei meinem Trainingsbeispiel oben gab es eine Entwicklung. Ich hatte mich weitergebildet und haufenweise Bücher gelesen. Der perfekte Moment schloss diese Entwicklung (vorerst) ab. Ein anderes Beispiel gefällig? Der erste Kuss in einer Beziehung.
Auch hier kann ich mich noch an den perfekten Moment erinnern. Diesem Kuss sind allerdings ebenfalls einige Punkte vorangegangen. Ich musste die „passende“ Frau kennenlernen. Sie ansprechen. (Was ich noch heute verwirrend finde.) Die Frau von meinen Qualitäten überzeugen und für mich begeistern. Erst dann kam der perfekte Moment.
Perfektion kann nie am Anfang einer Entwicklung stehen. Manchmal liegt sie am Ende vieler Bemühungen oder an einem Zwischenschritt. Laufen lernt man nur durch Fallen. Wenn du direkt zu Beginn, von was auch immer, auf Perfektion aus bist, steckst du eher in der Falle. Dazu gleich mehr.
Perfektion ist deine Definition
Kommen wir nochmal zurück zu meinem sonnendurchfluteten Treppenhaus. Ich stand dort nicht alleine. Einige Kursteilnehmer waren bereits dort. Vielleicht waren sie gut gelaunt. Eventuell hat die Sonne einiges zu einem schönen Augenblick beigetragen. Das dieser Zeitabschnitt für andere ebenfalls ein „Perfekter Moment“ war, ist eher unwahrscheinlich. Selbst, wenn es mich sehr freuen würde.
Grundsätzlich entscheidest du, was für dich perfekt ist und was nicht. Zeitpunkte, oder Dinge, die du als perfekt definierst, werden von vielen Menschen höchstwahrscheinlich anders wahrgenommen. Mach dich daher nicht von dem abhängig, was andere denken könnten. Du allein definierst deine Situationen und dein Leben.
Perfektion gibt es, aus meiner Sicht nur in der Natur. Alles, was von Menschen geschaffen ist, kann nahe an eine Perfektion herankommen, wird sie allerdings nie erreichen. Selbst über Michel Angelo gibt es verschiedene Meinungen.
Der Vorteil von Perfektion
Noch einmal zurück zu mir. Ich bin Perfektionist. Das habe ich während einer Weiterbildung nochmals deutlich gemerkt. Ich hatte hunderte von Fragen gestellt. Wie sollte man mit diesen Menschen umgehen, wie in jener Situation? Nach der hundertersten Frage kam es zu folgendem Dialog:
„Peter, du wirst keine Methode oder Therapie finden, mit der du alle Menschen unterstützen kannst.“ Pause. Ich antwortete: „Wahrscheinlich nicht.“ Pause und zustimmendes Kopfnicken im Raum. „Wenn ich aufhöre, danach zu suchen, werde ich sie allerdings ganz sicher nicht finden. Ich weiß, dass es an eine Unmöglichkeit grenzt, dennoch bin ich nicht bereit aufzugeben.“
Perfektion zu erlagen ist, wie ich bereits sagte, ein Prozess, dessen Ende nur du ganz alleine definierst. Niemand sonst! In dem Zusammenhang finde ich es gut nach Perfektion zu sterben. Wenn dir das Wort „Meisterschaft“ besser gefällt, kannst du natürlich dieses verwenden. Du solltest dir allerdings klar sein, dass du sie höchstwahrscheinlich nicht erreichen wirst.
Nur wer das Unmögliche anvisiert wird das Bestmögliche erreichen. Manches Mal zeigt sich dabei, dass es doch möglich war,/ist. Wenn du dir einen Bereich deines Lebens Perfektion anstrebst, kann dieses Streben eine Richtschnur sein. An ihr kannst du dich orientieren.
Perfektion kann dich motivieren. Allerdings nur dann, wenn du ihr Nichterreichen mit einkalkulierst.
Die Schattenseite der Perfektion
Perfektion wird dann, wie ich es bereits erwähnt habe, zur Falle, wenn du sie an den Anfang stellst. Ich habe schon so viele Menschen erlebt, die etwas beginnen wollten und doch nie angefangen haben. Sie hatten nicht genug Informationen. So haben sie immer weiter Kurse besucht und Bücher gelesen. An den Start sind sie nie gegangen.
Wie viele Bücher wurden nicht geschrieben? Wie viele Webseiten sind nicht erschienen? Und wie viele Projekte sind nicht entstanden? Weil der Start nicht perfekt genug gewesen wäre? Perfektion ist ein Ziel und eine Entwicklung. Sie kann nie am Anfang einer Aufgabe stehen.
Oftmals spielt eine Angst der Auswirkung eine große Rolle. Du willst dich nicht blamieren. Was würden die Nachbarn sagen? Was deine Eltern? Glaub mir, sich zu blamieren ist richtig harte Arbeit. Da musst du schon einiges investieren.
Mach dir keine Sorgen, was die anderen denken können. Die meisten werden deinen Mut bewundern. Die ewigen Nörgler werden ungewollte Rückmeldungen geben, so oder so. Du wirst in deinem Bereich laufen lernen. Hinfallen, aufstehen, deine Krone richten und weitergehen. Dein Können und dein Wissen werden sich erweitern. Du bist auf deinem Weg!
Was du tun kannst
Suche dir einen Bereich in deinem Leben, indem du Perfektion erlagen möchtest. Nimm ihn als Richtschnur für dich. Egal, ob es das Angeln, dein Beruf oder das Zusammensetzen von Mosaiken ist. Entscheide in diesem Bereich der Beste zu werden und Perfektion zu erreichen. Orientiere dich dabei an dir.
Gehe gut mit dir um! Du gibst jeden Tag dein Bestes. Das reicht! Manchmal bist du vielleicht müde oder abgelenkt. Eventuell hast du dann das Gefühl nicht weitergekommen zu sein. Das stimmt nicht! Du hast auch an diesem Tag das Beste gegeben, was dir unter diesen Umständen möglich war. Lass es gut sein. Morgen ist ein neuer Tag, mit neuen Möglichkeiten.
Lass nie ein Projekt liegen, weil du noch nicht gut genug bist. Erkenne den Zauber des Beginnens. Liebe die Möglichkeit, dich immer weiter zu entwickeln.
Weiterlesen
Du musst … Perfektionismus und innerer Kritiker (ein etwas anderer Blick)
Hier geht es zur Übersicht in diesem Blog.
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Hallo Peter,
ja, so kann ich da gut mitgehen. Oder wie ich es anderswo schon schrieb: Ja zum Streben nach Perfektion (Vollendung) und nein zum Perfektionismus (Übertriebenes Streben nach Vollendung). Der Unterschied liegt im “übertrieben” und ist damit eine Wertung, eine subjektive Unterscheidung. Das macht das Ganze wieder herausfordernd – denn wer bestimmt, ob mein Streben übertrieben ist oder nicht?
Es gibt ja keine Schiedsstelle für Perfektionismus. Obwohl wer weiß, schließlich sind wir ja in Deutschland und hier hat Perfektion einen hohen Stellenwert – zumindest wenn es um technische oder objektiv messbare Normen geht …
Zurück zum übertriebenen Streben: Am Ende kann ich das nur selbst entscheiden. Das setzt voraus, dass ich mir bewusst bin, was ich tue, dass ich spüre, ob mein Tun im Einklang mit mir ist. Das Übertriebene ist nichts anderes als ein zu viel an der einen Stelle und ein zu wenig an der anderen. Es geht also wieder um Bewusstheit und Achtsamkeit.
Danke für den Text und die Diskussion.
Liebe Grüße
Chris
Hallo Chris,
vielen Dank für deinen Kommentar! Ohne deinen vorangegangenen Artikel hätte ich meinen sicherlich noch vor mir hergeschoben. Auch die Diskussion mit dir hat mir eine deutlichere Klarheit verschafft. Danke auch dafür.
Für mich geht es bei Perfektion(ismus) nicht so sehr um die Übertreibung. Auch wenn ich sehe, dass das Bessere manchmal der Feind des Guten ist. Für mich steckt vielmehr die Angst „nicht zu genügen“ dahinter. Hierbei bekommt die Idee, was andere Denken könnten, einen zu weiten Raum. Das lähmt jeden und jede noch so gute Idee.
Ich finde es sehr wichtig, auf den Prozess der „Werdung“ zu vertrauen. Ich finde, dass du mit dem „Spüren“ recht hast. Oft zeigt uns ein Gefühl, dass wir uns zu sehr auf andere konzentrieren. Die Achtsamkeit auf die eigenen Gefühle kann sehr unterstützend und bereichernd sein.
Liebe Grüße zurück
Peter