Im Radio lief „Niemals geht man so ganz“ von Trude Herr. Musste wohl an Karneval gelegen haben. Bei mir tauchten Gedanken zu vielen Abschieden auf, die ich in meinem Leben erlebt hatte.
Im Zusammenhang mit Personen: Ende von Freundschaften und Beziehungen, Todesfälle. Es gab dann auch noch andere Abschiede: Die von Zielen oder Lebensplänen. Gefühle zwischen Melancholie, Trauer, Freude und Freiheit wechselten sich ab.
Da jeder schon mal Abschiede und sicher auch das Gefühl eines „gebrochenen Herzens“ erlebt hat, erscheint es mir stimmig einen Artikel darüber zu schreiben. Doch nun zurück zu Trude Herr.
… Wenn man Abschied nimmt, geht nach unbestimmt …
Nach einem Abschied beginnt das Ungewisse. Bis zu dem Zeitpunkt der Trennung war vieles klar. Danach bewegen wir uns in die Zukunft, in ein unbekanntes Land. Oft ist es so, dass wir nicht loslassen können. Wir wollen den Menschen oder das Ziel festhalten.
Wir klammern uns regelrecht daran fest. Ich erinnere mich noch an die Trennung von meiner ersten großen Liebe. Es war Nikolaus. Ich wollte nicht, dass es vorbei war. Ich strebte danach, sie zu halten. Im Leben ohne sie sah ich keinen Sinn.
Hätte ich sie damals losgelassen, wäre es für uns beide einfacher geworden. So wurde die Beziehung zäh und klebrig. Doch die Angst alleine da zu sein erschein zu groß. Es ging vorbei. Und die Welt drehte sich weiter.
Ich glaube, die größte Schwierigkeit liegt darin, den Punkt des Loslassens zu erkennen. Wann kämpfe ich um eine Person oder ein Ziel und wann lass ich den Dingen ihren Lauf?
Eine einfache Antwort bietet sich leider nicht an. Mir hilft es heute, achtsam und mitfühlend mit mir zu sein. Darauf zu achten, ob es „nur“ noch ein Kampf ist, oder ob es Situationen gibt, die mir guttun. Sobald Letzteres über einen längeren Zeitraum fehlen, ist der Punkt gekommen, loszulassen.
… Man lässt vieles hier, Freund ich danke dir …
Abschied bedeutet nicht, dass plötzlich alles verschwunden ist. Begegnungen und Ziele haben ihre Spuren zurückgelassen. Sie hinterlassen Bereicherungen in deinem Leben.
Bisweilen wirst du Zeit brauchen, das Schöne und verbliebene zu erkennen. Die Dankbarkeit für die gemeinsame Zeit oder gemachte Erfahrungen. Sie sind da, manchmal verdeckt hinter den Gefühlen des Abschiedes und dennoch: Sie sind da!
Gönn dir zwischendurch den Raum, an die schönen Dinge zu denken. Schreibe sie dir auf. Sie sind ein Teil deiner Persönlichkeit geworden. Du bist mit ihnen und dem Abschied gewachsen.
… so ein Abschied ist lang noch kein Tod …
Und doch fühlt es sich zuweilen genauso an. Im äußersten Fall ist es das ja auch. Wenn ein geliebter Mensch stirbt, bricht uns das Herz. Sollten wir und von einem wichtigen Menschen trennen oder, stärker, er trennt sich von uns, ist das Gefühl ähnlich.
Ein gebrochenes Herz wiegt schwer. Achte gut auf dich! Es hängt mit dem Verlust von Zugehörigkeit zusammen. Wir sind verletzlich, wenn wir lieben. Im Fall, dass eine Liebe verlorengeht, bricht uns das Herz. Das kann auch passieren, wenn starke Bindungen sich mehr und mehr lösen.
Kinder werden selbstständiger und verlassen das Haus. Menschen, die man stark unterstützt hat, gehen nun ihren eigenen Weg. Obwohl das ein Ziel war und sich zum Teil schön anfühlt, hat es doch etwas von verlassen werden.
Es ist wichtig, einen Zusammenhang zu erkennen. Ein Herz kann nur brechen, wenn Liebe im Spiel war. Dazu musst du fähig sein zu lieben. Diese Fähigkeit ist etwas sehr Wertvolles und du solltest sie achten.
Darüber hinaus finden sich in jedem Abschied all die von dir erlebten Abschiede wieder. Das erleichtert die Sache nicht. Im Gegenteil, es kommt zu gefühlsmäßigen Überlappungen. Gefühle aus einer „alten“ Situation finden sich im neuen Abschied wieder.
Es ist wichtig, die Trauer zuzulassen. Deine Tränen zu weinen. Dieses zu unterdrücken führt dazu, dass sich der Prozess in die Länge zieht. Und um Trude Herr nochmal zu zitieren: „… Sieh ich weine auch, Tränen sind wie Rauch, sie vergehn …“
… Doch dann lass’ mich los, sieh die Welt ist groß, ohne Freiheit bin ich fast schon wie tot. …
Neben der Zugehörigkeit ist die Freiheit unser höchstes, menschliches Gut. Freiheit kannst du jedoch nur erlangen, wenn du loslässt. Solange du klammerst, bleibst du in der Beziehung zu dem Menschen oder der Situation.
Das Durchatmen fällt schwer. Ich erinnere mich hierbei an meine letzte Trennung. Sie verlief inhaltlich über ein Jahr. Vom ersten Aufkommen der Gefühle bis zum tatsächlichen Abschied also eine lange Zeit.
Nachdem es dann wirklich ein Ende gab, war die erste Erleichterung bereits spürbar. Doch ich will dir hier nichts vormachen. Fünfzehn Jahre schüttelt man nicht eben einfach so ab.
Loslassen braucht seine Zeit. In meinem Fall war es deutlich über ein Jahr. Nach dem Tod meines Vaters dauerte es sogar noch länger. Nimm dir die Zeit, die du brauchst, um den Abschied zu verarbeiten.
Achte gleichzeitig darauf, dass die Welt sich weiterdreht, und verpasse das Leben nicht. Geh auf andere Menschen zu. Sprich mit deinen Freunden über deinen Verlust. Teile dich mit!
Für mich ist jeder Abschied auch eine Übung. Das Annehmen, was ist, statt dem, was sein sollte oder was ich mir wünsche, ist ein guter Weg. Und manchmal ist es einfacher gesagt als getan. Deswegen auch Übung.
… Niemals geht man so ganz, irgendwas von mir bleibt hier, es hat seinen Platz, immer bei dir. …
Wie schon gesagt, in jeder Beziehung gab es Schönes und Bereicherndes. Dieses Bereichernde lebt in mir, wie auch in dir, weiter. Vor allem nach einem Todesfall solltest du daran denken.
Erzähle Geschichten, teile Gedanken. Was hat dich bereichert? Wo bist du weitergekommen? Welche Erlebnisse habt ihr geteilt? Was war wichtig?
Mir huscht heute oft ein Lächeln über die Lippen, wenn ich merke, dass ich mich ähnlich verhalte wie mein Vater. Sobald ich bemerke, das meine Hände genauso halte, wie er es immer getan hat.
Denke ich an meine erste große Liebe, weil sich gerade „unser Lied“ spielen, erinnere ich mich gerne an den ersten Kuss. Das Schöne, was wir miteinander teilten, wiegt heute mehr als der Abschied.
Du solltest dir auch klar darüber sein, dass es keine Einbandstraße ist. Auch du hast Spuren auf deinem (eurem) Weg hinterlassen. Spuren, die etwas bewirkten. Selbst wenn du nicht selber sagen kannst, was genau es war.
Liedtext
Niemals geht man so ganz
Wenn man Abschied nimmt
geht nach unbestimmt
mit dem Wind wie Blätter wehn.
Singt met Abschiedsleed
dat sich om Fernweh drieht
om Horizonte, Salz un Teer.
Wer singe Püngel schnürt
söök wo’e hinjehührt
hätt wie ne Zochvuel nit nur ei Zohuss.
Man lässt vieles hier
Freund ich danke dir
für den Kuss, den letzten Gruß.
Ich will weitergehn
keine Träne sehn
so ein Abschied ist lang noch kein Tod.
Niemals geht man so ganz
irgendwas von mir bleibt hier
es hat seinen Platz immer bei dir.
Wenn’t och noch su sticht,
stutz die Flüjel nit
dämm, dä in de Käld kein Zokunft sieht.
Mach ‘nem Vagabund
doch et Hätz nit wund,
fleech e Stöck met op singem Wääsch.
Doch dann lass’ mich los
sieh die Welt ist groß
ohne Freiheit bin ich fast schon wie tot.
Niemals geht man so ganz
irgendwas von mir bleibt hier
es hat seinen Platz immer bei dir.
Niemals geht man so ganz
irgendwas von mir bleibt hier
es hat seinen Platz immer bei dir.
Ich verspreche hier
bin zurück bei dir
wenn der Wind von Süden weht.
Ich saach nit “Lebwohl”
dat Woot dat klingt wie Hohn
völlig hohl. Maach et joot.
Sieh ich weine auch
Tränen sind wie Rauch
sie vergehn, dieser Käfig macht mich tot.
Niemals geht man so ganz
irgendwas von mir bleibt hier
es hat seinen Platz immer bei dir.
Niemals geht man so ganz
irgendwas von mir bleibt hier
es hat seinen Platz immer bei dir.
Nie verlässt man sich ganz
irgendwas von dir geht mit
es hat seinen Platz immer bei mir
Wunderbare Idee, das Thema entlang dieses ergreifenden Liedes zu entwickeln.
Konnte genussvoll mitgehen, bei deinen Gedankengängen, lieber Peter. Viel Glück weiterhin mit deinem Projekt David. 🙂
Vielen Dank für deinen Kommentar,
lieber Werner.
Ich freue mich sehr, dass es gefällt.
Lieben Gruß
Peter
“Auch du hast Spuren auf deinem (eurem) Weg hinterlassen. Spuren, die etwas bewirkten. Selbst wenn du nicht selber sagen kannst, was genau es war.”
Ja das ist das Faszinierende am Loslassen und seinen Weg weiter zugehen. Es gibt die Sicherheit doch etwas bewirkt zu habne. Vielen Dank Peter für diese Gedanken.
Sich des eigenen Wirkens bewusst zu werden, halte ich für einen sehr wichtigen Schritt, in der Persönlichen Entwicklung,
lieber Ulrich.
Vielen Dank, dass du mit deinem Kommentar diese Idee unterstützt.
Peter