Welche Geschichten erzählst du dir, über dich?

Welche Geschichten erzählst du dir, über dich?

Geschichten und Bücher passen gut zusammen. Aus diesem Grund möchte ich nach meinem letzten Artikel haute auf die Geschichten eingehen, die wir uns selbst über uns erzählen.

Kaum ein Buch hat mich in den letzten Jahren so gefangen, wie das Neue von Brené Brown. „Laufen lernt man nur durch Hinfallen.“ Allein für die oben dargestellte Frage hat sich der Kauf des Buches gelohnt. Plötzlich öffneten sich Fenster und ließen frischen Wind durch meine Gedanken sausen.

Ein wenig ärgerte ich mich schon über mich. Obwohl ich den Bereich der Selbstgespräche als zentral für eine gesunde Entwicklung halte, hatte ich die Geschichten bisher ausgespart. Aber genau dieses Ärgern, so weiß ich dank Brené Braun, ist eine Geschichte, die ich mir über mich selbst erzähle.

Die Geschichten deines Lebens

Sicherlich kennst du die Geschichten, die andere über dich erzählen. Eltern, Geschwister und Verwandte erzählen gerne Geschichten über dich. Anekdoten aus deiner Kinderzeit. Manchmal ist das lustig, ein andermal vielleicht ein wenig peinlich.

Das interessante an diesen Geschichten ist, dass sie sich verändern. Einzelne Punkte werden verstärkt, andere verschwinden komplett. Diese Geschichten hatten schon in der Kindheit einen Einfluss auf dich. Und dieser Einfluss kann noch heute wirken.

Wenn dir die Geschichten Zuneigung, Aufmerksamkeit oder beides brachte, hast du versucht eine Fortsetzung zu schreiben. Waren sie beängstigend, bist du möglichen ähnlichen Geschichten aus dem Weg gegangen. Sie haben dich eingeengt und in eine bestimmte Richtung gelenkt.

Das meine ich vollkommen wertfrei. Schließlich ist aus dir der Mensch, mit seiner Geschichte geworden, der du heute bist. Es ist allerdings auch ein Punkt, an dem ich dich gerne erneut ermutige, Unbekanntes auszuprobieren. So kannst du deine Facetten erweitern. Doch zurück zu dir.

Aus deiner Kindheit und ihren Zusammenhängen haben sich langsam deine eigenen Geschichten über dich entwickelt. Diesen Erzählungen ist das gleiche Schicksal hold, wie den Beschreibungen deiner Eltern, Freunde und Verwandten. Auch in ihnen werden einzelne Teile verstärkt oder ausgelassen.

Geschichten deines Lebens

Die Kurzgeschichten in deinem Leben

Deine Kurzgeschichten beginnen alle mit: „Ich bin …“ Mutig, nicht liebenswert, sexy, einsam, ein guter Sportler …. Das „Ich bin“ zielt direkt auf deine Identität ab. Du beschreibst dich in einer Mikrogeschichte. Sie kann dich so sehr einengen, dass du vieles verpasst.

Wenn schon längere Geschichten vieles von deiner Persönlichkeit außen vorlassen, wie viel blendet dann so eine Kurzgeschichte aus?

Ein kleines Beispiel:

Frank Farally, der Begründer der provokativen Therapie bei einer Demonstration. Während mehrere Therapeuten zuschauten, kam ein Patient zu Herrn Farelly. Es spielte sich folgender Dialog ab: „Guten Tag, ich bin depressiv.“ „Schönen guten Tag, und ich bin Frank Farally.“ Dieser Patient hatte sich und seine Identität über seine Krankheit definiert. 

Realitätsüberprüfung

Die Ausgangsaussage: „Ich bin nicht liebenswürdig.“ Immer? In welchem Zusammenhängen hältst du dich für nicht liebenswürdig? Wie äußert sich das in deinem Leben? Nur bei dir oder auch bei anderen? Was bist du stattdessen? Gibt es noch andere Seiten an dir, außer nicht liebenswürdig zu sein? Wann bist du es vielleicht doch? Wer hält dich für liebenswürdig?

Ein Problem bei allen Geschichten, die wir über uns selber erzählen ist, dass wir damit beginnen, sie zu bestätigen. Uns werden Beispiele die unsere Geschichten bestätigen (könnten) sehr, sehr schnell auffallen. Gegenbeispiele blenden wir zum Teil sogar vollkommen aus. Hier ist es deine Aufgabe, wenn du etwas verändern möchtest, sehr genau nach Gegenbeispielen zu suchen.

Eine meiner geschichten

Eine meiner Geschichten

Ich sollte einen Vortrag halten. Das war mein erster Vortrag vor einem wirklich großen Publikum. Ich habe den Vortrag bestimmt 20 Mal geübt. „Hoffentlich ist er nicht langweilig.“, war der Hauptgedanke, welcher mich beschäftigte. Aufregung machte sich breit. Ich finde es gut, aufgeregt zu sein. Für mich bedeutet es, dass mir die Sache wichtig ist. (Auch das ist eine Geschichte.)

Mein Vortrag begann und ich hatte die ersten Lacher kassiert. In der dritten Reihe saß ein Mann, der plötzlich anfing zu gähnen. Nach weiteren zwei Sätzen meines Vortrages gähnte er erneut. Meine Geschichte „ich bin langweilig“ begann zu wirken. Der Vortrag wurde zäh und, du errätst es, langweilig.  

Zu meinem Glück merkte ich recht schnell, dass ich in meiner Selbstbestätigung lag. Ich brachte eine kurze Unterbrechung ein und trank einen Schluck Wasser, atmete tief durch und rief mir meine Stärken ins Bewusstsein. Der Vortrag wurde ein Erfolg und ich erntete viel Applaus.

Später erfuhr ich übrigens, dass der Mann nur wegen meines Vortrages gekommen war. Er hatte nach seiner Nachtschicht nicht wirklich schlafen können. Soviel zu der Geschichte, die ich mir erzählt habe.

Geschichten und Realitätsprüfung

Weitere Realitätsüberprüfungen 

Meine Geschichte zeigt dir noch weitere Überprüfungen auf, die du für deine Geschichten nutzen kannst. Es gibt ein äußeres Ereignis. Ein Mann gähnt. Dieses Geschehen interpretierte ich so, dass es in meine Geschichte passt. 

Nicht immer lässt sich ein solcher Vorfall, im Nachhinein, mit den betreffenden Personen aufarbeiten. Was du allerdings immer tun kannst, ist dir selber Alternativen zu überlegen. Um im Beispiel zu bleiben, aus welchen Gründen könnte der Mann noch gähnen? Suche hierbei gezielt nach Ideen, die außerhalb der Bestätigung deiner Geschichte liegen.

Ich nutze solche Situationen gerne, um noch ein wenig tiefer zu graben. Was denke ich über mich, wenn ich mir diese Geschichten erzähle? Welche Glaubenssätze liegen dahinter? Wie kann ich sie abschwächen oder sogar verändern?

Positiv, wie Negativ

Die Geschichten, die ich bisher angesprochen habe, waren die, welche sich eher negativ auf dein Selbstwertgefühl auswirken. Natürlich gibt es auch die positiven Geschichten. Die, die dein Selbstwertgefühl stärken.

Solche Geschichten sind gut! Sie helfen dir, deiner Selbst sicherer zu werden. Sammele solche Geschichten, halte sie wenn möglich in einem Notizbuch fest. Hier kannst du den gegenteiligen Ansatz fahren. Find noch mehr Geschichten, die das Positive in dir und für dich unterstützen.

Nutze deine Geschichten

Was du tun kannst

Achte ab und zu einmal darauf, welche Geschichten du dir über dich oder über Begegnungen erzählst.

Wenn Geschichten eine negative Auswirkung auf dein Selbstbild haben, suche gezielt nach alternativen Geschichten. Sind sie Positiv für dich, sammele sie.

Weiterlesen

Laufen lernt man nur durch Hinfallen – B. Brown

Hier geht es zur Artikelübersicht in diesem Blog.

 

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2 comments on “Welche Geschichten erzählst du dir, über dich?

  1. Vielen Dank für deinen Kommentar,
    liebe Pearl.
    Ich hoffe, dass ich dich so nennen darf. Zu mindestens steht es so in deinem Blog.
    Ich freue mich sehr, dass dir mein Artikel gefallen hat. Der Blickwinkel ist in der Tat gut zu trainieren. Jeder kann es sich zur Gewohnheit machen Personen und Situationen aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten.
    Lieben Gruß
    Peter

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