So, nun sitze ich also im Zug nach Kaiserslautern. Am nächsten Tag soll die „Kick Off“ Veranstaltung meines Studiums beginnen. Über Bezeichnungen lässt sich hervorragend streiten. „Kick Off“ finde ich nicht so prickelnd. Doch darum soll es, diesmal nicht gehen.
Das Einzige, was ich für dieses Wochenende mitbringen soll, ist ein Foto, mit dem ich mich in der Runde vorstelle. Ich brauche nicht lange nachzudenken, welches Bild das passende für mich ist. Du siehst es oben. Doch bevor ich auf das Warum eingehe, lass mich ein paar Schritte in die Vergangenheit huschen.
Am 23. Oktober startete das Studium und ich bestellte mir die benötigten Lehrbriefe. Ich hatte mich echt riesig auf den Beginn gefreut. Diese Freude endete ziemlich schnell. Nämlich nach zehn Seiten des Ersten, von fünf, Briefen.
Ich saß da und dachte, was will der Mensch von mir? Wer soll das verstehen? Kann man (der Autor) sich nicht auch verständlich ausdrücken. Anscheinend nicht. Wie soll ich das nur schaffen, wenn ich es jetzt noch nicht verstehe. Meine eigene Geschichte über mich, die ich begann, mir zu erzählen, machte sich platz und Raum.
Ich kann das nicht! Es ist schon viel zu lange her, dass ich lernen musste. Ich bin zu dumm dafür. Vielleicht sollte ich es besser sein lassen. Was tue ich mir hier eigentlich an, mit 51 nochmal zu studieren, als wenn ich nicht schon genug zu tun hätte…..
Hinzu kommen dann auch noch die Geschichten, die unsere Gesellschaft so gerne erzählt und mit denn, ich zu mindestens, aufgewachsen bin. „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr.“ „Je älter man wird, umso schwieriger lernt man.“….
Die Geschichte der Unmöglichkeiten
Eigentlich erzählen wir uns ja alle ständig Geschichten, über uns und die Welt. Wir analysieren und bewerten, was uns passiert und wie das mit der Welt zusammenhängt. Die Dinge, die ich mir da über das Studium erzählte, waren offensichtlich nicht hilfreich. Hinzu kam noch, dass ich meine Verantwortung, für das Lernen, an jemand anderes, den Autor der Lehrbriefe, abgegeben hatte.
Es liegt in meiner Verantwortung, zu studieren oder eben auch nicht. Die Verantwortung abgeben ist in diesem Fall keine Lösung. Ich habe die Entscheidung getroffen und nun muss ich auch mit den Unannehmlichkeiten umgehen.
Was passiert, wenn ich an den geschilderten Geschichten festhalte und sie glaube? Nun, wahrscheinlich wird das Lernen zäh und schwer werden. Mit viel Mühe und Not werde ich mein Pensum schaffen. Der Spaß, den ich ursprünglich hatte, geht ebenfalls verloren.
Eine ungünstige Geschichte, die ich da über mich erzähle. Sie enthält weder Hoffnung noch in irgendeiner Weise Freude. Eine neue Geschichte muss her. Ich habe das Glück, auf das Foto und seine Geschichte zurückgreifen zu können.
Vom Unmöglichen und Machbaren
Nun, ich kann leidlich Gitarre spielen. Ich beherrsche vielleicht sechs oder sieben Griffe. Was ich nun aber überhaupt nicht kann, ist singen. Wenn mir zwei Jahre, vor dieser Aufnahme jemand gesagt hätte, was ich auf dem Bild tue, ich hätte ihm einen Vogel gezeigt.
Auf dem Bild spiele ich Gitarre und singe dazu. Wenn nur der Fotograf dabei gewesen wäre, wäre das schon schwierig genug gewesen. Tatsächlich schauen mich 500 Augenpaare an und ich rocke den Laden. Was vorher undenkbar, ja für mich sogar unmöglich erschien, wurde plötzlich machbar.
Ich kann dir gar nicht sagen, wie oft ich die Gitarre in die Ecke schmeißen wollte. So oft habe ich mir gesagt, dass ich es nicht schaffen werde. Aber irgendetwas in mir war stärker. So geschah es, dass dennoch, oder vielleicht gerade darum, das Bild einen der schönsten Momente in meinem Leben festhält.
Zurück zum Lernen
Ich will dieses Studium abschließen, ich habe sogar richtig Lust darauf. Die Verantwortung, dies zu organisieren lasse ich mir nicht nehmen. Ich werde Möglichkeiten finden, das, was ich in den Lehrbriefen nicht verstehe mir anders anzueignen. Das Foto, wenn ich meinen Masterabschluss in den Händen halte, wird einen ähnlichen Höhepunkt einnehmen. Diese Geschichte gefällt mir deutlich besser und sie hatte auch gleich ihre folgen.
Ich kann nicht sagen, ob der zweite Teil des ersten Briefes verständlicher geschrieben ist. Den habe ich jedenfalls verstanden. Mir hat das Lernen auch wieder Spaß gemacht. Und noch einen Schritt weiter. Zwei Wissenschaftler, die ich kenne, haben mir angeboten, mich zu unterstützen. Wenn ich Fragen habe soll ich einfach zu ihnen kommen und sie werden es mir erklären. Manchmal öffnen sich halt Türen, dort wo vorher Mauern waren und das liegt ganz oft in unserer Hand.
Und Du?
Noch einmal die Bitte und gleichzeitig Empfehlung an dich. Schreibe dir deine Erfolge auf. Halte Sie fest. Ein Bild ist natürlich das i-Tüpfelchen. Solche Bilder sammele. Rahme sie dir ein, mach dir eine Collage daraus, aber vor allen Dingen hänge sie so auf, dass du sie siehst.
Wenn du merkst, dass du dir eine Geschichte über dich oder die Welt erzählst, die nicht nützlich, oder sogar schädlich ist, fang an, dir eine neue zu schreiben.