Spieglein, Spieglein an der Wand …

… wer ist der schönste, tollste, coolste, weiseste … im ganzen Land? Du nicht! 

Spiegel können hart sein. 

Okay, sie sind ja auch meist aus Glas. Zum Glück sprechen sie nur im Märchen. Gerade morgens, nach dem Aufstehen, wäre das sonst ziemlich gemein. Wider ´ne kurze Nacht gehabt, wie? Du sahst schon besser aus! Noch keinen Kaffee getrunken, was?…. So stelle ich mir das heimlich vor. In Ordnung, jetzt nicht mehr ganz so heimlich.

Das Dumme ist, wir brauchen keinen Spiegel, der spricht. Wir können uns, je nach Tagesform selbst die Laune verhageln. Wir suchen uns einen Spiegel und fangen an zu vergleichen. Die Spiegel können sehr unterschiedlich sein.

Der reale Spiegel

Meine erste große Liebe, ich nenne sie hier mal Monika, war unglaublich. Sobald wir an irgendetwas vorbeigingen, indem sie sich spiegeln konnte, blieb sie kurz stehen und schaute hinein. Mal wurde der Kragen gerichtet oder der Lidstrich nachgezogen. Meist war sie jedoch sehr zufrieden mit dem, was sie sah. 

Monika fand sich wahnsinnig attraktiv. Das war sie auch. Damals war ich ziemlich verliebt und hatte sicherlich keinen objektiven Blick. Wenn ich mir jedoch heute, nach 30 Jahren die Fotos von uns anschaue, muss ich nach wie vor eingestehen, sie war wirklich unglaublich hübsch.

Als ich Monika kennenlernte, war das bei mir eher genau andersherum. Ich fand mich im Grunde genommen auch attraktiv. Zu mindestens so lange, bis ich in einen Spiegel geschaut habe. Was ich dementsprechend so gut es ging, vermied. Denn dann nahm ich all die Dinge an mir wahr, die alles andere als hübsch an mir waren. Leichten Überbiss … unterschiedlich große Augen … das Haar wird dünner …

Zu meinem Glück gab es Monika. Ihr bleiben meine verstohlen und kritischen Blicke nicht verborgen. Irgendwann fing sie an, mich vor mit vor den nächstbesten Spiegel zu zerren. Sind wir nicht ein hübsches Paar? Ist dir schon mal aufgefallen, was für einen sinnlichen Mund du hast? Du hast die schönsten Hände, die ich je bei einem Mann gesehen habe. ….

Sätze und Fragen, die unterschwellig fielen, ihr Ziel jedoch erreichten. Ich freundete mich mit meinem Spiegelbild an. So begann ich mich immer mehr, auf meine Vorzüge zu besinnen und diese ins rechte Licht zu rücken. Um einen alten Werbespruch aufzugreifen: Es gelingt mir auch heute nicht immer, aber immer öfter. Die Zeit mit Monika hatte ihre Folgen, weit über den eigentlichen Spiegel hinaus.

Ich spiegele mich in den Augen meines Gegenübers,

sagt ein arabisches Sprichwort. Wir nutzen die Aussagen und Reaktionen anderer, um unser eigenes Bild zu erkennen. Eigen- und Fremdwahrnehmung sind nun einmal unterschiedlich. Leider gibt es dabei zwei Fallen. Die erste ist, dass wir das glauben, was wir oft genug hören. 

Du bist ungeschickt. Schreiben ist nicht dein Ding. Du bist nicht schön, aber du hast ja andere Vorzüge. Das kreative überlass mal besser den anderen. All das sind Aussagen, die ich in meiner Kindheit 1000´de Mal gehört habe. Und wie alle Kinder habe ich sie nur allzu gerne angenommen. So bin ich halt.

Aber, wie gesagt, zum Glück gab es Monika. Mit ihr wurde mir klar, dass ich neben meinen vermeintlichen Schwächen auch unglaublich viele Stärken habe. Einen klaren analytischen Verstand, ein gutes Gefühl für Menschen und Zusammenhänge. Einen schönen Mund.

Halt, halt, halt … das Letzte passt ja nicht zu dem verpackten „hässlich sein“ und dieser Artikel nicht zum „Schreiben ist nicht dein Ding“. Hm. Da sind wir schon beim zweiten Fallstrick. Wir übersehen schnell, dass Aussagen anderer ihre Wertungen sind. Es sind ihre Meinungen. Nicht mehr. 

Gerade Aussagen, die auf unsere vermeintlichen Schattenseiten fallen, geben wir ihnen gerne eine Allgemeingültigkeit. Wenn uns, vor allem eine uns wichtige Person sagt, was an oder in und besser verborgen sein sollte, glauben wir, dass alle diesen „Makel“ sehen. Wir verstecken uns umso mehr.

Dabei haben die Anderen nur ihre Meinung geäußert. Erst, wenn wir diese Meinung zementieren. Sobald wir aus ihr eine Wahrheit machen, satt die Gedanken des anderen in ihr zu erkennen, geben wir ihr Macht – über uns. Wenn wir ihr eine Allgemeingültigkeit verpassen, wird es schwierig.

1000 Dank liebste Monika.   

Und du?

Gehe behutsam mit dir um. Wir brauchen dich! Achte vermehrt auf deine Stärken, sie Zeichen dich aus. Ich will nicht verleugnen, dass du Fehler und unschöne Seiten hast. Die hat jeder, manche verstecken sie nur besser als andere. Dieses gute Verstecken kannst du auch. Vielleicht errätst du es schon. Stell deine tollen Seiten so stark nach außen, dass die paar Macken gar nicht weiter auffallen.

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